Der Wolsdorfer Johannes Skorzak lebt seit 25 Jahren in Brasilien

Bild zur Meldung Der Wolsdorfer Johannes Skorzak lebt seit 25 Jahren in Brasilien

Über die IG Wolsdorf hat uns ein Brief von Johannes Skorzak erreicht. Er ist Theologe und Gründer des Hilfsprojekts "Amare" in Brasilien. Das von ihm geleitete Projekt in Esperantina betreut in einem Kindertagesheim derzeit ca. 300 Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren mit 18 fest angestellten Mitarbeitern. "Esperantina, 14. November 2005 Liebe Wolsdorfer! Die letzten Tage über war ich innerlich aufgebracht, von Zweifeln zerbohrt. Auf meiner Heimatreise im Herbst wurde mir die heikle wirtschaftliche Lage in Deutschland klar. Ich kam mir schon beinahe fies vor, wenn ich das Gespräch auf die Misere in Nordostbrasilien bringen wollte. Einige gute Leute wollten mir zwar Mut machen..., aber die Schwierigkeiten sind doch wohl zu gross. So fuhr ich ziemlich deprimiert nach Brasilien zurück...... In Deutschland hat man wichtigeres zu tun, war meine Sentenz. Wie auf einen Schlag wurde ich bei der Rückkehr nach Esperantina aus der Lethargie aufgeweckt. Schockierend, alarmierend waren die Nachrichten aus den Elendsvierteln. (Und in den 25 Jahren, die ich nun hier bin, habe ich mich schon an einiges an Schrecken und Not gewöhnt!!!) Auf der - Amare gegenüberliegenden - Stadtseite, etwa 5 km entfernt, in dem Viertel Mão Santa regieren nachts die Banden: Morde, Vergewaltigungen von Schülerinnen auf dem Nachhauseweg, Drogenhandel, Überfälle, Schusswechsel mit der Polizei. Tagsüber sind es hungernde und verwahrloste Kinderhorden, die das Strassenbild bestimmen. Trostlose Realität einer etwa siebentausend Einwohner zählenden Favela, wohin sich Besucher nach Sonnenuntergang nur unter Begleitung, am besten von Polizeischutz, trauen dürfen. Ende Oktober wird auf Bürgerinitiative in der Stadt eine Notstandskonferenz zur Bremsung der Gewalt einberufen. Der Pfarrer stellt das dortige Gemeindezentrum der Polizei als Wachposten zur Verfügung. Die Menge der Teilnehmer ist sich in dem Punkt einig und so wird die Forderung laut, Amare und ich müssen dringend in die Krisenzone rein. Historisch ist dies zu verstehen: Die hiesige Stadtseite, wo sich Amare niedergelassen hat, sah nämlich bis vor wenigen Jahren ähnlich aus. Während der vergangenen 15 Jahren hat sich eine einst gefährlichste Verbrechensszene durch ein konsequentes Engagement von Amare zu einem befriedeten, ruhigem Milieu entwickelt. Heute finden dort 350 Kinder und Jugendliche täglich warme Mahlzeiten, zwanzig Berufsbildungskurse, Angebote von Musik, Theater und Tanz, soziale Betreuung und die Gegenwart unseres himmlischen Vaters beim gemeinsamen Gebet. Die Herausforderung lässt mir keine Ruhe. Öfter treibt es mich in den diesen Tagen in die Szene hinein, mache ich Erkundigungsgänge, komme mit den Bewohnern in Kontakt, höre Geschichten puren Elends, auf allen Schritten folgen mir neugierige Kinder, schmutzig, mit Lumpen gekleidet oder überhaupt ganz nackt. Marcelo, ein etwa zwölfjähriger Junge, scheinbar der Anstifter der Gruppe nimmt sich Mut und bittet: Seu João, venha para cá! Herr Johannes, kommen Sie zu uns! Und dann stimmen alle wie in einem Chor ein. Ihre Augen nehmen einen bedrückend ernsten, um Hilfe flehenden Ausdruck an. Ich fühle mich hilflos, elend und allein in diesem Augenblick. Ich balle die Faust, bitte den Heiligen Geist im Stossgebet um Hilfe und nehme mir vor, für diese meninos zu kämpfen. "Wie willst Du bei den Menschen in Wolsdorf für Kinder in Brasilien werben, die stecken doch selbst in Problemen", kam es mir immer wieder in den Sinn. Es quälte regelrecht die Frage: Kann ich die Wolsdorfer oder überhaupt die Freunde in der Heimat damit belasten? Dann aber kommen mir einzelnen die Menschen vor Augen, wie ich sie in Wolsdorf getroffen habe, sehe ihre Gesichter, sehe tapfere, alte Frauen aber auch Männer vor mir, die engagierte Runde bei Familie Alfter, gutherzige, engagierte Leute aus Wolsdorfer Vereinen und die Kirchenbesucher. Da sehe ich, wie sich die alte wackere Frau Christa Schäfer, umringt von ihren Freundinnen, vor mir aufbaut, mich dann feste anschaut und sagt: Herr Skorzak, worauf warten Sie eigentlich? Sie wissen doch, dass Sie sich auf uns verlassen können. Ja, auf die Wolsdorfer war immer Verlass. Seit vielen, vielen Jahren spüre ich das und danke ihnen aus dem tiefsten Grund des Herzens dafür. Deswegen fühle ich mich - auch noch nach 25 Jahren in Brasilien - immer noch in Wolsdorf zu Hause. Com um forte abraço, Ihr Johannes Skorzak" Aktuelle Bilder ab sofort in unserer Bildergalerie. Spenden bitte an: Förderverein Amare e.V. MdB Lisa Winkelmeier-Becker Konto: 1353505 Postbank Köln, BLZ 37010050


15. November 2005 - 23:12 von Bernd -